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ZEITung FÜR HEIMAT

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Geschichten aus dem Unbezahlbarland, Liebe Leserinnen und Leser, sind Sie Frühaufsteher? Wenn ja, dann haben Sie hier im Unbezahlbarland die Chance, morgens als erste Menschen in Deutschland die Sonne zu sehen. Das mag für viele Außenstehende einzigartig klingen. Für uns ist es selbstverständlich.

15Grad-OstBlog

15Grad-OstBlog ZEITung FÜR HEIMAT ZEITung FÜR HEIMAT 24 25 15Grad-OstBlog auf dem Weg. Wir sind komplett alleine auf der Neiße. Auf der linken Seite taucht ein Piratenschiff auf, rechter Hand steht eine Art Wachturm, vor uns treibt an einer Pontonbrücke befestigt das Neiße Café von Turisede. Die Kids stürmen den Wasserspielplatz. Ich habe nach kürzester Zeit die Orientierung verloren. Sie scheint nicht aufzuhören diese Kulturinsel Einsiedel. Wir sind locker seit 3 Stunden unterwegs. Ein Blick auf die Kinder genügt: Die Kleinen sind platt. Ohne Mittagsschlaf, verschwitzt, verschrammt, die Knie dreckig und die T-Shirts mit den Resten sämtlicher Mahlzeiten des Tages dekoriert. Wir steigen ins Auto. Die Kinder schlafen schon beim Anschnallen ein. Es ist 17:30 Uhr. Abschied von einer Herzensreise Ein emotionales Fazit von Tobias Rieger Tag 14: Weißwasser mit Oberbürgermeister Torsten Pötzsch „Weißwasser war vor der Wende ein florierender Industriestandort. Anfang des 20. Jahrhunderts größter Glasproduzent der Welt. 11 Glashütten standen hier“, berichtet Torsten Pötzsch. „Dann kam die Wende. Die jungen intelligenten Frauen sind gegangen, die dummen Männer geblieben“, witzelt der Oberbürgermeister. Aus 35.000 Einwohnern wurden im Laufe der Jahrzehnte die heutigen 16.000. Leerstehende Gebäude wurden abgerissen und die Glashütten teilweise von der Konkurrenz übernommen oder kaputt gewirtschaftet. Und jetzt kommt mit dem Kohleausstieg der nächste Hammer für eine Stadt, die ohnehin schon am Boden liegt. Man könnte sich jetzt seinem Schicksal ergeben und sagen: „Gut, der Letzte macht das Licht aus!“ Nicht aber mit Torsten Pötzsch. Weißwasser hat einen Oberbürgermeister, der um jeden Euro Finanzierung, jeden Einwohner und jeden Job persönlich kämpft. Tag 15: Fit in Hirschfelde „Jeder dritte deutsche Haushalt kauft mindestens 1x pro Jahr eines unserer Produkte“, begrüßt uns Markus Jahnke, der Marketingleiter auf dem Gelände der Fit GmbH in Hirschfelde. Die Marke Fit ist ein Begriff. Es ist eine ostdeutsche Institution, das „Tempo“ des Ostens. Am Rande des kleinen Hirschfelde befindet sich hier einer der Marktführer deutscher Spülmittelhersteller. Arbeitgeber von über 250 Menschen, mit Luft nach oben. Wir stehen an der Produktionslinie. Tausende der kleinen bekannten Fit-Fläschchen rasen an uns vorbei. Alleine 25 Millionen der Fit-Flaschen laufen hier pro Jahr durch. Der tägliche Griff zum Spülmittel sollte uns daran erinnern: Man kann in der Oberlausitz sehr gut arbeiten und leben. Tag 16: Hochschule Zittau/Görlitz Sie steht vor uns. THERESA. Groß gebaut, aber als schlank kann man die Dame nicht gerade bezeichnen. Ob sie schön ist? Geschmacksache! THERESA – die „THERmischeEnergieSpeicherAnlage“ steht im Kraftwerkslabor der Stadtwerke Zittau GmbH. Sie ist eine von insgesamt drei Großversuchsanlagen der Hochschule Zittau/Görlitz in der denkmalgeschützten Halle. „Wir haben mehr Wärme- als Energiebedarf in Deutschland“, erklärt Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Rektor der Hochschule. Mit „Sie müssen sich vorstellen“ beginnen seine Sätze gerne, um dann präzise auf den Punkt zu kommen. „Wasser und Stahl kann die Region, das ist gelernt. Nur logisch, dass wir heute das Kompetenzfeld Energie und Umwelt in Lehre und Forschung an der Hochschule Zittau/Görlitz haben“, berichtet der Professor. In Görlitz hat alles begonnen, in Görlitz soll es enden. Nachdem ich 3 Wochen durch den Landkreis Görlitz gefahren bin, geht nun meine Blogger-Tour durchs #Unbezahlbarland hier zu Ende. Es ist ein bisschen wie mit der Liebe. Warum fällt sie irgendwo hin und woanders nicht? Es ist und bleibt ein Mysterium. Mein Herz gehört Görlitz. Es war Liebe auf den ersten Blick, aber auch beim zweiten oder dritten Hinschauen – ich bleibe Fan dieser Stadt. Das soll nicht missverstanden werden, denn ich habe in 3 Wochen Oberlausitz ausschließlich positive Erfahrungen mit der ganzen Region gemacht. Ich habe Macher kennengelernt, Unternehmer, die verändern wollen, die Weite der Natur, staufreies Fahren, viele Badeseen und extrem offene Menschen. Die Menschen haben mich am meisten überrascht. Unverstellt mit offenem Visier. Ungefragt habe ich Familiengeschichten erzählt bekommen, bin auf Grillabende und Geburtstagspartys eingeladen worden und hatte nie den Eindruck, ein Fremder zu sein. Ich habe mich an „Nu!“ und „Fetzt!“ gewöhnt und war immer wieder erstaunt darüber, wie direkt Menschen von sich und ihrem Leben erzählen. Das ist es, was mich mit am meisten begeistert hat. Hier leben Menschen, die sehr genau wissen, was die Landschaft kann und was die Vorzüge der Region sind. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch viel mit dem Schock der Wende zu tun hat. Sehr oft habe ich den Satz gehört: „Meine Eltern waren mit der Wende von heute auf morgen arbeitslos.“ Das hat die nächste Oberlausitz- Generation mitgeprägt. Eine Generation, die weiß, wie sich Verlust und Ohnmacht anfühlen, und die daraus eine unglaubliche Energie entwickelt hat. Eine Power, die diese Region nach vorne spülen kann. Aus diesem Grund sehe ich auch durchaus optimistisch in die Zukunft des Standortes. Platt ausgedrückt: Der Westen ist satt, der Osten ist hungrig. Hier hat es Platz, viel Raum für Neues. Das ist eine riesige Chance. Die Zentrale im Dreiländereck, das Herz von Europa. Das größte Kapital sind die jungen Menschen und viele sagen: „Wir sind hier aufgewachsen, in die Welt gezogen und kommen jetzt wieder zurück!“ Der Strukturwandel ist ein großes Wort, welches viel beinhaltet. Ausstieg aus dem Kohleabbau, Mangel an jungen qualifizierten Arbeitskräften, eine alternde Gesellschaft und die Transformation von der Industrialisierung zur Digitalisierung. Das ist kein exklusives Problem der Niederschlesischen Lausitz, das gilt bundesweit. Meine Heimat Stuttgart hängt von Mercedes- Benz, Porsche oder Bosch und deren Zulieferern ab. Aber bloß weil das Automobil in Stuttgart erfunden wurde, heißt das noch lange nicht, dass die Schwaben das Patentrecht auf den Autobau der Zukunft haben. Was, wenn das Auto von morgen künftig von Tesla, Google & Co. gebaut wird? Was, wenn der Stellenwert des Automobils weiter sinkt? Ich möchte damit sagen, die Veränderung, die in der Oberlausitz jetzt stattfindet, steht anderen Regionen vermutlich noch bevor. Die Oberlausitz hat das längst begriffen. Hier gibt es die Pötzschs, die Jakschiks, die Kratzschs oder die Winneknechts, um nur ein paar zu nennen, die sich bewusst für die Region entschieden haben. Unternehmertypen, die anpacken. Der Weg wird sicher kein leichter sein, aber wenn keiner den Anfang macht, wird sich nichts verändern. Ich drehe eine letzte Runde auf dem Doppeldecker „Görliwood Entdecker“ durch „mein“ Görlitz. Ich beobachte andere Touristen, wie sie Fotos machen. Ich mache schon lange keine Fotos mehr, ich habe das Gefühl, diese Stadt zu kennen. Ihr Kopfsteinpflaster, ihre kleinen Gassen, die großen Plätze und die vielen Drehorte der Hollywoodproduktionen. Als ich kam, war die Oberlausitz mein blinder Fleck auf der Deutschlandkarte. Der ist jetzt weg. Ich werde die Region im Auge behalten. Im Herzen trage ich sie jetzt ohnehin. https://15grad-ostblog.de/